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Von höchstem Erkenntniswert für die Predigtforschung ist das Œuvre des Augustiner-Chorherren Balthasar Boehms (†1530) aus Rebdorf. Erstens handelt es sich um Autographe, zweitens sind lateinische und frühneuhochdeutsche Predigten aus einer Hand überliefert, drittens sind auch noch Bearbeitungsstufen zu erkennen. Ein solcher Fall ist bisher noch nicht erschlossen und in einer Datenbank zugänglich gemacht worden. Überliefert ist das Opus Magnum in der UB Eichstätt-Ingolstadt (Cod. st 346-342, 4°, Cod. st 422-426, 2°; Cod. st 451) und der BSB München (Cgm 371, 4337, 4438). Die volkssprachigen und lateinischen Musterpredigten, die in zwei Serien im Quart- und im Folioformat zwischen vor 1501 bis 1520 entstanden, bieten einen Einblick in die komplexe Systematik des Textkosmos Predigt.

Perikopen
Gegenüber Schneyers „Repertorium der lateinischen Sermones des Mittelalters“ bietet das Werk Boehms nicht nur weitere Predigtanlässe, sondern auch zu bereits erfassten Anlässen zusätzliche Perikopen.

Liturgica
Der Kompilator leistete Ordnungsarbeit und berücksichtigte alle für seine Kommunität einschlägigen Liturgica. Die Perikopen der Musterpredigten sind zumeist in Übereinstimmung mit den Vorgaben der Diözese Eichstätt und/oder der Augustiner-Chorherren bzw. der Windesheimer Kongregation gewählt, an die das Stift 1457 angeschlossen wurde.

Notarika
Die lateinischen Predigten Boehms lassen sich den Artes praedicandi folgend (bspw. Johann Ulrich Surgants Manuale curatorum) dem modernen Typ zuordnen. Die Sermones weisen stets eine Perikope aus der Heiligen Schrift oder einem liturgischen Cantus und ein Prothema auf. Hier erfolgt eine erste Erläuterung des Themas, um die Gliederung (divisio) zu begründen, die dann in Notarikonform visualisiert wird.


Cod. st 346, 4° (1,1), fol. 59v

Dieses Notarikon entspricht einem Schlüsselbegriff (clausula), der zumeist aus der Perikope (hier: Veni ad liberandum nos) stammt. Die einzelnen Wörter bzw. Begriffe, deren Anfangsbuchstaben das Notarikon ergeben, strukturieren wiederum die Teilungsglieder (membra) der Predigt, die aus argumenta bestehen. Die Notarika sind gleichzeitig Registerbegriffe und ermöglichen es dem Nutzer der Musterpredigtsammlung, schnell membra und argumenta im liturgischen Kontext aufzufinden. Schließlich bietet Boehm eine Blütenlese der wichtigsten aus der Tradition stammenden Aussagen (dicta) von Kirchenvätern und -lehrern zum jeweiligen Suchwort und damit einen Zugang zur bibliothèque imaginaire des Christentums.